Träume aus Beton

Die ersten 3D-Drucker im Bauwesen fertigten Kunststoffmodelle für Ausstellungszwecke und Präsentationen. Sie spielten also eine Nebenrolle im Designprozess. Heute gibt es bereits größere Drucker, die in der Lage sind, Betonteile für den Bau von Gebäuden herzustellen. An der Technischen Universität Liberec (TUL) arbeitet ein Forschungsteam gerade am nächsten Schritt dieser Evolution: mobile Roboter, die den Druck direkt auf der Baustelle erledigen.

Ein Blick über die Mauer

Der 3D-Druck eröffnet spannende Möglichkeiten für den Hochbau. Bauteile werden mit einem Mix aus Beton und Verstärkungsmaterial gedruckt. Daraus ergeben sich neue Gestaltungsmöglichkeiten für Architekten. Zudem lassen sich Bauteile wirtschaftlicher herstellen und es wird weniger Abfall produziert, da keine großflächigen Schalungen erforderlich sind.

So spannend diese Möglichkeiten auch sind – mit dem aktuellen Stand der Technik gibt es immer noch einige Herausforderungen zu meistern: Die Komponenten werden in einer Produktionshalle gefertigt und anschließend zur Baustelle transportiert. Deswegen dürfen die Bauteile gewisse Abmessungen nicht überschreiten. Sind sie zu groß, können sie nicht verladen werden. Darüber hinaus verursacht der Transport enorme Kosten und belastet die Umwelt. Außerdem lassen sich mit den aktuell am Markt verfügbaren Systemen nur die vertikalen Bauteile eines Gebäudes drucken. Die horizontalen Teile für Böden und Decken werden nach wie vor mit konventionellen Methoden gefertigt.

Gebäude direkt vor Ort drucken

Das Forschungsteam der TUL arbeitet derzeit an der Entwicklung des mobilen 3D-Druckroboters Printing Mantis. Der Name leitet sich von der Gestalt der Gottesanbeterin ab, da der Arm des Roboters an die gestreckten Arme des Insekts erinnert. Das Ziel des Projekts ist es, mehrstöckige Gebäude einschließlich der Böden und Decken direkt vor Ort auf der Baustelle zu drucken. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet das Team eng mit dem Institut für Informationstheorie und Automatisierung der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik und dem Klokner-Institut der Technischen Universität in Prag zusammen. Steuerungstechnik, Antriebe, Visualisierung und Software kommen von B&R.

Printing Mantis ermöglicht mehr Kreativität bei der Umsetzung komplexer Formen und arbeitet mit einer noch nie dagewesenen Präzision von zwei bis drei Millimetern. Mit dem Roboter wird es möglich sein, mehrstöckige Gebäude wie mit großen Legosteinen direkt vor Ort zusammenzubauen. „Die horizontalen Platten werden am Boden gedruckt und auf ihren Platz gehoben, während die vertikalen Wände direkt an ihrem endgültigen Standort gedruckt werden“, erklärt Jiří Suchomel, Vizedekan der TUL.

Außerdem hat die Zementproduktion erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt. Kies und die zur Herstellung von Beton benötigten Zuschlagstoffe sind nur begrenzt verfügbar. „Wir wollen leichte, dünnwandige Betonstrukturen mit unkonventionellen Verstärkungen bauen. Der Materialverbrauch lässt sich so deutlich reduzieren“, erklärt Suchomel.

David Čítek vom Klokner-Institut demonstriert den Druckkopf von Printing Mantis, der mit B&R-Antriebstechnik die eigens entwickelte Betonmischung ausgibt.

Die Mischung macht den Unterschied

Herkömmliche 3D-Drucker verwenden in der Regel Pulver oder Kunststoff. Für den Druck eines Gebäudes müssen diese Materialien jedoch durch Beton ersetzt werden. Die große Herausforderung dabei ist, die richtige Mischung des Zements zu finden. Sie muss flexibel genug sein, um damit arbeiten zu können, aber auch schnell genug erstarren, um nachfolgende Schichten zu stützen. Normaler Beton hat eine Trockenzeit von 28 Tagen. Gedruckte Elemente müssen hingegen sofort stabil und belastbar sein.

Der Roboter muss Wände mit beliebigen Krümmungen, scharfen Kanten und Unterbrechungen drucken können. „Das ist wichtig, um den Architekten maximale Freiheit zu geben“, sagt Professor Václav Záda, einer der leitenden Konstrukteure des Projekts vom Institut für Mechatronik und Computertechnik der TUL. Der Roboter ist so konstruiert, dass er sich weiterbewegen kann, auch wenn der Druckvorgang für eine Fenster- oder Türaussparung kurz unterbrochen wird. „Der Roboter ist in der Lage, seine beträchtliche kinetische Energie beizubehalten“, sagt Záda, „und das ist etwas, was andere Maschinen nicht können.“

Printing Mantis wird über einen rotierenden und gleitenden Roboterarm mit einer horizontalen Reichweite von bis zu 5,6 Metern und einer vertikalen Reichweite von 3,3 Metern verfügen. An zwei Prototypen wird aktuell geforscht: Der erste ist ein SCARA-Roboter im Maßstab 1:4, der aufgrund seiner Größe und seines Gewichts von einem Standard-Baufahrzeug transportiert werden kann. Der zweite Prototyp befindet sich am Klokner-Institut in Prag. Dort entwickeln die Forscher den Druckkopf eines kartesischen Roboters und testen verschiedene Baustoffmischungen.

Das endgültige Design von Printing Mantis im Maßstab 1:2 wird Ende September 2021 für die Forschung und Entwicklung an der TUL zur Verfügung stehen.

Skalierbarkeit schafft Raum für Innovation

Das Forschungsteam blickt auf eine langjährige und erfolgreiche Zusammenarbeit mit B&R zurück. Es war also von Anfang an klar, dass die Automatisierungskomponenten von B&R die Performance und Skalierbarkeit liefern würden, die in den unterschiedlichen Entwicklungsphasen des Roboters erforderlich sind. „Unsere Automatisierungslösung wird alle zukünftigen Herausforderungen, die im Laufe des Projektes noch auftreten können, meistern“, sagt B&R-Ingenieur Tomáš Kohout.

Das Antriebssystem umfasst Achsen mit absoluten Multiturn-Encodern, Servomotoren, ein modulares Steuerungssystem und erweiterte Sicherheitsfunktionen. „Das integrierte B&R-Antriebssystem macht die Lösung sehr anwenderfreundlich, sowohl für die Konstrukteure als auch für zukünftige Maschinenbediener“, sagt Leoš Beran vom Institut für Mechatronik und Computertechnik der TUL. „Die Lösung ist hoch skalierbar. Das ist für innovative Forschungsprojekte wie dieses sehr wichtig.“

Leoš Beran (TUL) und Tomáš Kohout (B&R) sehen sich den leistungstarken Automation PC an, auf dem die CNC-basierte Steuerungslösung und die Visualisierung laufen.

Effiziente Programmierung und flexible Bedienung

Der Endeffektor des Druckkopfes wird mit einem Steuerungssystem von B&R gesteuert. Der Kern der 3D-Drucksoftware basiert auf Standard-CNC-Komponenten von B&R. Für Grundfunktionen wie Rezepthandling und Benutzerverwaltung werden vorprogrammierte Softwarebausteine aus der mapp-Reihe von B&R verwendet. Daher musste das Forschungsteam keinen Programmieraufwand in die Erstellung dieser Funktionen stecken.

Die Steuerungssoftware für den ganzen Roboter läuft auf einem leistungsstarken Industrie-PC aus dem Automation-PC-Portfolio von B&R. „Auf dem PC läuft neben der Steuerungssoftware auch der Server für die Web-Visualisierung“, sagt Kohout. Angezeigt wird die Visualisierung auf einem Automation Panel 500, das an einem Tragarm befestigt ist. „Die High-End-Visualisierung bietet ein hohes Maß an Flexibilität und Bedienergonomie“, sagt Kohout, „und kann ebenso einfach auf einem PC, Smartphone oder Tablet angezeigt werden.“

Im Forschungsprojekt am Klokner-Institut wird der Druckkopf mit einem Tragarm-Panel von B&R gesteuert. Die Web-Visualisierung kann zudem auf jedem PC, Smartphone oder Tablet angezeigt werden.

Gerüstet für die Zukunft

Welche konkreten Einsatzmöglichkeiten sich für Printing Mantis in Zukunft ergeben, ist derzeit noch offen. Unter anderem hängt dies auch davon ab, welche Bauvorschriften für gedruckte Gebäude eingeführt werden. Mit B&R setzt das Forschungsteam auf einen erfahrenen Automatisierungspartner, der ein breites Portfolio an flexiblen und skalierbaren Lösungen bietet. Dadurch können die Forscher den Roboter jederzeit schnell und einfach an neue Gegebenheiten anpassen.

Das Projekt 3D Star der Technischen Universität Liberec (CZ.02.1.01 / 0.0 / 0.0 / 16_025 / 0007424) erhält finanzielle Mittel aus dem operationellen Programm „Forschung, Entwicklung und Bildung“. Das Programm setzt Mittel der Europäischen Union ein, um zentrale Herausforderungen in Forschung und Bildung zu bewältigen. Dazu zählen auch Maßnahmen, die der Forschung der tschechischen Republik zu internationaler Exzellenz verhelfen.

Über den Kunden

Leoš Beran

Technische Universität Liberec, Institut für Mechatronik und Computerentwicklung


„Die Lösung ist hoch skalierbar. Das ist für innovative Forschungsprojekte wie dieses sehr wichtig.“

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