„Wir haben die Performance verdoppelt, ohne die Stellfläche zu vergrößern“

Die Digitalisierung schreitet auch im Bereich Medical Device Assembly (MDA) rasch voran. Unternehmen suchen nach Möglichkeiten, arbeitsintensive Prozesse produktiver und flexibler zu gestalten, ohne zusätzliche Stellfläche schaffen zu müssen. Wie sie diese Herausforderung meistern, erzählt uns Lazaros Patsakas, B&R-Experte für MDA und Adaptive Fertigung.

Wie sieht die aktuelle Situation im Bereich Medical Device Assembly aus?

Lazaros Patsakas: Der Markt für medizinische Geräte ist in den letzten Jahren im Durchschnitt um fast acht Prozent gewachsen. Dieser Trend wird sich voraussichtlich fortsetzen. Das liegt zum Teil an der alternden Bevölkerung in den Industrieländern. Zudem erhalten immer mehr Menschen in den Entwicklungsländern Zugang zur Gesundheitsversorgung. Die heutigen Technologien schaffen neue Möglichkeiten, unsere Lebensqualität zu verbessern, und das Gesundheitsbewusstsein der Menschen steigt – insbesondere im Zusammenhang mit der Pandemie.

Wie hat sich die Pandemie auf die Branche ausgewirkt?

Patsakas: Grundsätzlich positiv. Jedoch hat sie auch das Risiko halbautomatischer Prozesse aufgezeigt, denn diese sind auf menschliches Bedienpersonal angewiesen. Während der Pandemie haben wir gesehen, dass es nicht immer möglich ist, Menschen vor Ort zu haben. Darüber hinaus gab es plötzliche Nachfragewellen nach bestimmten Produkten, was uns zeigte, wie wichtig es ist, die Produktion rasch skalieren zu können.

Was sind die aktuellen Trends im Bereich Medical Assembly?

Patsakas: Medizinische Geräte werden immer komplexer und vielfältiger. Asthma-Inhalatoren bestanden zum Beispiel früher aus einem einfachen Pumpmechanismus. Heute haben viele auch Drehregler, um die Dosierung einzustellen, und es gibt sie in unterschiedlichen Farben. Zudem wird es immer üblicher, dass Geräte wie Blutzuckermessgeräte für Diabetes ein digitales Display haben und mit einer App auf dem Smartphone verbunden sind.

Hersteller müssen also die Komplexität und Vielfalt bewältigen.

Patsakas: Genau. Medizintechnik-Unternehmen treiben die Digitalisierung voran und investieren in Automatisierungslösungen, da sie so flexibel und effizient wie möglich sein wollen. Das kann bedeuten, dass eine bisher manuelle Montagestation mit Robotertechnik automatisiert wird oder ein strikt mechanisches System wie ein Drehtisch durch ein flexibles mechatronisches System ersetzt wird. In jedem Fall ist es wichtig, diese Lösungen auf möglichst kleinem Raum zu implementieren.

Warum ist das so wichtig?

Patsakas: Stellfläche kostet immer Geld. Hier sprechen wir aber von Reinräumen, und die befinden sich auf einem ganz anderen Kostenniveau. Sind Sie in der Lage, die benötigte Flexibilität und Leistung zu erreichen, ohne neuen Reinraum schaffen zu müssen, ist das ein absoluter Meilenstein. Um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben, was ich meine: Bei einem Kunden, der Tropfkammern für Infusionssets herstellt, haben wir die Leistung bei gleichbleibender Stellfläche verdoppelt.

Wie war das möglich?

Patsakas: Das Problem vieler bestehender Linien ist, dass ihre Grenzen durch das schwächste Glied in der Kette gesetzt werden: Die langsamste Verarbeitungsstation bestimmt die Geschwindigkeit der Linie. Die voluminöseste Station ist diejenige, die den Produktabstand vorgibt. Diese Einschränkungen können mit adaptiven Fertigungslösungen beseitigt werden. So entstehen viele Möglichkeiten für enorme Verbesserungen.

„Die benötigte Flexibilität und Leistung zu erreichen, ohne neuen Reinraum schaffen zu müssen, ist ein absoluter Meilenstein“, sagt Lazaros Patsakas.

Was ist adaptive Fertigung?

Patsakas: Adaptive Fertigung ist ein Sammelbegriff für modernste Automatisierungstechnologien. Dazu zählen Bildverarbeitung, Robotik, Simulation mit digitalen Zwillingen und mechatronischer Produkttransport. Im Vordergrund steht dabei die Fertigung kleiner Losgrößen und Optimierung der Gesamtanlageneffektivität. Aber auch in Situationen, in denen nicht ständig zwischen verschiedenen Produkten gewechselt wird, haben adaptive Lösungen einen großen Einfluss auf die Produktionsdichte.

Was meinen Sie damit?

Patsakas: Eine der Schlüsseltechnologien, die ich erwähnt habe, ist der mechatronische Produkttransport. Dazu zählen zum Beispiel unser SuperTrak, ACOPOStrak und ACOPOS 6D. Diese Systeme tragen in mehrfacher Hinsicht dazu bei, den Platzbedarf der Maschine zu verringern: Zum einen lassen sich mehrere Instanzen von langsamen Stationen hinzufügen. Das erhöht die Geschwindigkeit bei minimalen Auswirkungen auf den Platzbedarf. Zum anderen ermöglicht es der mechanische Produkttransport, Puffer und leere Förderbandabschnitte zu eliminieren. Die Produkte werden auf einzelnen Shuttles transportiert, die ihre Abstände während der Fahrt anpassen können. So kann das Produktionsfeld leicht verdichtet werden, wenn die Stationen es zulassen. Jeder Zentimeter der Stellfläche wird perfekt genutzt.

Der mechatronische Produkttransport ermöglicht es, jeden Zentimeter der Stellfläche perfekt zu nutzen.

So lassen sich also technische Einschränkungen beseitigen. Wie sieht es mit regulatorischen aus?

Patsakas: Wir können sie natürlich nicht beseitigen, aber wir können den Umgang mit ihnen erleichtern. Wenn Sie im Bereich Medical Device Assembly eine Linie erweitern oder ändern, kommt es darauf an, wie schnell diese umgestaltet, revalidiert und wieder zum Laufen gebracht werden kann. Mit einem Track-System lassen sich einzelne Abschnitte hinzufügen oder ersetzen, ohne dass der Rest der Linie beeinträchtigt wird. Mit einem Drehtisch ist dies nicht möglich, da in diesem Fall die gesamte Maschine neu konstruiert und validiert werden muss.

Das vereinfacht also die Arbeit des Maschinenbauers.

Patsakas: Auf jeden Fall. Als Maschinenbauer sind Sie viel flexibler, wenn Ihr Kunde mit neuen Anforderungen an Sie herantritt. Das kann eine neue Station, eine andere Reihenfolge der Stationen oder andere Zykluszeiten sein. Die Linie kann in kürzerer Zeit umgestaltet, validiert und in Betrieb genommen werden.

Was passiert, nachdem die Linie in Betrieb genommen wurde?

Patsakas: Die adaptive Fertigung vereinfacht regulatorische Aufgaben wie Serialisierung und Rückverfolgbarkeit während des Betriebs. Eng synchronisierte Vision-Kameras sind in der Lage, Codes mit sehr hoher Geschwindigkeit zu scannen. Zudem ist die Digitalisierung integraler Bestandteil des Track-Systems, das keine zusätzliche Hardware oder Personal benötigt. Früher musste ein Arbeitnehmer Papiere unterschreiben, in denen er bestätigte, dass er eine bestimmte Aufgabe zu einer bestimmten Zeit ausgeführt hatte. Adaptive Fertigung bedeutet, dass Sie eine durchgängige Kontrolle über jedes Produkt in der gesamten Linie haben. Da jedes Shuttle eindeutig identifizierbar ist, verfügt jedes Produkt und jeder Prozess über eine digitale Signatur, und das beinahe in Echtzeit.

Apropos Zeit: Vielen Dank für das Gespräch!

Lazaros Patsakas

Global Segment Manager - Medical Device Assembly


If you're able to get the flexibility and output you need without having to build a new cleanroom – that's a serious gamechanger.
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