Die Automobilproduktion gilt als Vorreiter bei der Implementierung von hochautomatisierten Prozessen und modernen Fertigungsstrategien. Bei genauer Betrachtung trifft das jedoch nur innerhalb der einzelnen Gewerke zu. Es fehlt ein einheitliches Netzwerk mit dem die Hersteller ihren Gesamtprozess effizient überwachen und steuern können. Mit OPC UA over TSN wird sich das ändern.

Mit OPC UA over TSN wird aus zahlreichen Insellösungen mit vielen Schnittstellen ...
... ein homogenes Netzwerk für die hersteller- und ebenenübergreifende Kommunikation.

Seit Jahren werden Autokarosserien auf vollautomatischen Produktionsstraßen von hochsynchronisierten Robotern zusammengeschweißt – der Mensch muss lediglich überwachen, ob alle Maschinen korrekt arbeiten. „Was wie ein Paradebeispiel für die Produktion der Zukunft aussieht, hat jedoch einen Schwachpunkt“, sagt Uwe Siebert, Key Account Manager bei B&R. Zwischen den einzelnen Produktionsschritten gibt es keine einheitliche Kommunikation. Daten können nur über eigens programmierte Schnittstellen ausgetauscht werden. „Es gibt weder eine einheitliche Produktionssteuerung, noch eine einheitliche Datenbasis.“

„Für die Automobilindustrie wird OPC UA over TSN ein riesiger Schritt vorwärts."
Uwe Siebert, Key Account Manager bei B&R

Digitale Vernetzung

Häufig hat jedes Gewerk nicht nur ein eigenes Steuerungssystem, sondern sogar eine komplett eigenständige IT-Infrastruktur. „Der Aufwand für die Konfiguration und Administration einer so großen Zahl an Netzwerken ist sehr hoch“, sagt Stefan Bina, Product Manager Industrial IoT Network Solutions bei B&R. Eine Kommunikation zwischen den einzelnen Inseln ist nur über eigens programmierte Gateways oder proprietäre Protokolle möglich. „An dieser Stelle werden viele Ressourcen verschwendet.“ Während innerhalb der Gewerke die Prozesse und Abläufe hochgradig optimiert und automatisiert sind, gibt es nur marginale Abstimmungen zwischen den einzelnen Prozessschritten.

„Ein einheitliches Netzwerk ist ein erster Schritt, um die Produktion digital zu vernetzen“, sagt Bina. Dafür bedarf es einer Kommunikationstechnologie, die von allen Geräten und Komponenten herstellerübergreifend verstanden wird. Dazu gehören Maschinen und Linien, aber auch einzelne Sensoren und Aktoren sowie übergeordnete Systeme wie MES-, SCADA- und ERP-Systeme.

Herstellerunabhängige Kommunikation

„Die Ansprüche an eine solche Kommunikationstechnologie sind hoch“, betont Bina. Die Technologie muss zum Beispiel die Echtzeitsynchronisierung von Achsen ermöglichen. Darüber hinaus soll sie über integrierte Security-Mechanismen für die Übertragung von Daten in die Cloud verfügen und herstellerunabhängig sein.

„Für die Automobilindustrie wird OPC UA over TSN ein riesiger Schritt vorwärts“, ist Siebert überzeugt. Damit wird nicht nur die Echtzeitkommunikation zwischen den Gewerken ermöglicht, auch die Kommunikation zu übergeordneten Systemen wird durchgängiger, schneller und effizienter. Die Produktionsplanung kann dadurch viel genauer werden und in Echtzeit auf Engpässe reagieren. Zudem stehen historische Daten zur Verfügung, die vom Controlling oder der Geschäftsleitung jederzeit eingesehen werden können.

„OPC UA over TSN ermöglicht, dass große Datenmengen erfasst und zum Beispiel in einem Edge-Gerät oder in der Cloud analysiert werden."
Stefan Bina, Product Manager Industrial IoT Network Solutions bei B&R

Analyse großer Datenmengen

„OPC UA over TSN ermöglicht, dass große Datenmengen erfasst und zum Beispiel in einem Edge-Gerät oder in der Cloud analysiert werden“, sagt Bina. Die aufbereiteten Daten helfen dabei, die Produktion zu optimieren. Möglich wird dies unter anderem durch die Informationsmodelle von OPC UA. „Das Protokoll transportiert nicht nur dimensionslose Daten“, erläutert Bina. Vielmehr kann jeder Variablenwert mit zusätzlichen Informationen versehen werden, zum Beispiel einer Einheit, Maximalwerten und einer Beschreibung. „Das erleichtert die herstellerübergreifende Kommunikation und die Weiterverarbeitung von Daten ungemein“, betont Bina. Somit können Geräte unterschiedlicher Hersteller in einem System miteinander kommunizieren, ohne dass Gateways oder Schnittstellen programmiert werden müssen.

Die Aufwände für Verwaltung, Konfiguration und Administration sinken massiv, wenn nur noch ein Netzwerk vorhanden ist. „Ich brauche nicht mehr zehn unterschiedliche Spezialisten für zehn unterschiedliche Protokolle“, betont Bina. „Zudem arbeiten wir gemeinsam mit zahlreichen anderen Unternehmen aus der Automatisierung und der IT gerade an Mechanismen, mit denen sich OPC-UA-over-TSN-Netzwerke zukünftig selbst konfigurieren werden. Auch die Diagnose wird sich im Vergleich zu heutigen Netzwerken massiv vereinfachen.“

Mit OPC UA over TSN lässt sich die komplette Wertschöpfungskette einfach vernetzen.

Vernetzung der Wertschöpfungskette

„Der Nutzen von OPC UA over TSN hört jedoch nicht in der Produktion auf“, betont Bina. Die komplette Wertschöpfungskette kann besser vernetzt werden. Durch die Auswertung von Produktionsdaten in Echtzeit kann zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Lieferanten genauer terminiert und stärker automatisiert werden. Auch der After-Sales-Bereich kann noch enger eingebunden werden.

„OPC UA over TSN ist eine große Chance für die Automobilindustrie“, resümiert Siebert. Mithilfe einer einheitlichen Kommunikationstechnologie werden die Automobilhersteller ihre Produktion in Zukunft weitaus effizienter gestalten können als bisher. Produktivität und Rentabilität werden steigen.

Autor: Stefan Hensel, Unternehmensredakteur bei B&R

Die Entwicklung von OPC UA over TSN

Damit OPC UA over TSN die in der Industrie gestellten Anforderungen erfüllt, wurden in den vergangenen Jahren drei wichtige Erweiterungen bestehender Standards auf den Weg gebracht:

  1. Die Erweiterung von OPC UA um ein Publish/Subscribe-Modell: Mit dem Publish/Subscribe-Mechanismus von OPC UA können Automatisierungskomponenten und Netzwerke erheblich entlastet werden. Der Mechanismus ermöglicht ein effizientes zyklisches und schnelles Übertragen von Daten. Die Verwendung von PTP zur hochgenauen Zeitsynchronisation, schafft außerdem ein netzwerkweit gleiches Zeitverständnis und damit die Voraussetzung für effiziente Produktionsabläufe. Das Publish/Subscribe-Kommunikationsmodell ermöglicht sowohl One-to-many- sowie Many-to-many-Kommunikation. Ein Publisher sendet dabei seine Daten an eine Gruppenadresse in das Netzwerk (Publish), alle entsprechend konfigurierten Subscriber können diese empfangen und verarbeiten (Subscribe). Dies reduziert Kommunikationsoverhead und damit belegte Netzwerkbandbreite, sowie Performance-Anforderungen an Netzwerkteilnehmer.
  2. Die Erweiterung des Ethernet-Standards um Time-Sensitive Networking (TSN): TSN bezeichnet eine Reihe von Unterstandards des Ethernet-Standards IEEE 802.1. Die Datenübertragung über Standard-Ethernet wird dadurch echtzeitfähig.
  3. Die Etablierung eines automatischen Konfigurationsmechanismus für OPC UA over TSN: Auch große und dynamische Netzwerke mit OPC UA over TSN lassen sich zukünftig automatisch konfigurieren.

Die Spezifizierungsarbeit für einen Großteil der notwendigen Entwicklungen wurde mittlerweile abgeschlossen. In herstellerübergreifenden Testbeds wird nun das Zusammenspiel der Technologien optimiert und erste Prototypen mit OPC UA over TSN getestet.

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