Es hat etwas gedauert, bis Condition Monitoring in der Windkraftbranche angekommen ist. Dabei haben Condition-Monitoring-Systeme (CMS) wesentlich dazu beigetragen, die Verfügbarkeit von Windkraftanlagen deutlich zu erhöhen. Wie das genau funktioniert, hat automotion beim CMS-Experten Bernd Höring, Mitbegründer von 8.2 Monitoring, nachgefragt.

(Quelle: iStock)

Herr Höring, was ist die 8.2-Gruppe und womit beschäftigt sie sich?

Bei der 1995 gegründeten 8.2 Group handelt es sich um ein Netzwerk von mittlerweile 30 Ingenieurbüros weltweit, von denen der Großteil in Deutschland ist. Unser größter Standort ist hier in Hamburg mit rund 50 Mitarbeitern. Hauptsächlich beschäftigen wir uns mit Windenergieanlagen im On- und Offshore-Bereich, was sich aber im Laufe der Zeit auf den gesamten regenerativen Energiebereich ausgedehnt hat. Heute sind wir auch stark im Bereich Photovoltaik, Biomasse und Netzintegration vertreten. Als Sachverständige übernehmen wir zum Beispiel die technische Prüfung von Windenergieanlagen, Schadengutachten oder Online Condition Monitoring. Darüber hinaus sind wir auch als Berater tätig. 8.2 deckt also die komplette Wertschöpfungskette der regenerativen Energien ab.

8.2 arbeitet bereits seit einigen Jahren mit B&R zusammen. Warum fiel die Wahl auf B&R?

Wir arbeiten seit 2013 zusammen und es war uns von Anfang an sehr wichtig, dass zwischen Partnern die Chemie stimmt. Mir ist auch persönlich daran gelegen, dass eine Zusammenarbeit auf Offenheit und Ehrlichkeit basiert – das ist bei B&R der Fall und so macht die Zusammenarbeit Spaß. Das Qualitätsniveau ist ebenso hoch wie die Anforderungen. B&R hat eine Condition Monitoring-Hardware entwickelt, die in unser Portfolio passt und umgekehrt passt unsere Analysesoftware und Dienstleistung gut zum B&R-Portfolio.

Sie sind Mitbegründer des Unternehmens und bei 8.2 Monitoring für den Bereich Condition Monitoring verantwortlich. Wie sind Sie dazu gekommen?

2010 haben Jochen Ziehmann, Dietmar Obst und ich das Unternehmen gemeinsam gegründet. Wir haben uns gut ergänzt, weil ich schon immer im Online Condition Monitoring in verschiedenen Branchen – zum Beispiel in der Petrochemie, der Stahlindustrie und im Windbereich – tätig war. Jochen Ziehmann ist ein ausgezeichneter Softwareentwickler, der bereits eine Schwingungsanalysesoftware entwickelt hatte. Vor 7 Jahren bot mir Manfred Lührs, der Gründer von 8.2 an, ins Unternehmen einzusteigen. Nachdem ich mich bereits 2004 mit einem eigenen Ingenieurbüro für Condition Monitoring selbstständig gemacht hatte, sah ich bei 8.2 zum ersten Mal die Chance, CMS in Serie „an den Mann“ bringen zu können. Früher handelte es sich immer um Unikate, also spezielle Einzelmaschinen, wie einem Braunkohle-Tagebau-Bagger oder einer Tablettenpresse für die Airbag-Sprengkapsel. Unser Ziel war es, das Online-Monitoring innerhalb der 8.2-Gruppe als unabhängige Sachverständigezu etablieren. Dazu gehörte etwa die Entwicklung einer eigenen, hardware-unabhängigen Analysesoftware für Online-CMS und der Aufbau eines Online Monitoring Centers – vorher wurde nur die Offline-Variante angeboten.

Warum ist Condition Monitoring bei Windrädern so wichtig?

Bis zum Jahr 2002 gab es beim Betrieb von Windrädern sehr viele ungeplante Ausfälle – insbesondere bei der Verzahnung und den Lagern der Getriebe und Generatoren – wohl auch deshalb, weil die stark variierenden Last- und Umgebungsbedingungen unterschätzt wurden. Zudem wurde nur rudimentäre Messtechnik zur Anlagensteuerung eingesetzt. Versicherungen waren daher der Meinung, dass sich das Engagement bei Windrädern wegen der hohen Ausfälle nicht lohne. Die Versicherungsbranche war defizitär, der Ausstieg drohte. Condition Monitoring wurde deshalb mit dem vorhandenen Wissen aus der Industrie auf die Windenergie umgemünzt, um die Situation in den Griff zu bekommen. 2003 wurden Richtlinien für die Zertifizierung von CMS vom AZT (= Allianz Zentrum für Technik) und kurze Zeit später auch vom GL (= GermanischerLloyd) herausgegeben. Condition-Monitoring-Systeme etablierten sich und Verschleißphänomene konnten rechtzeitig erkannt werden. Folgenschwere Ausfälle, wie etwa bei einem Getriebeschaden, wurden verhindert und Verschleißteile rasch ausgetauscht. Das hatte zur Folge, dass zum Beispiel nur noch 10.000 statt 150.000 Euro in Reparaturen investiert werden mussten.

Gibt es auch Gründe, die – zumindest theoretisch – gegen einen Einsatz von CMS sprechen würden?

Nein, auf keinen Fall. Ich kenne zwar ein paar engagierte Landwirte, die Windkraftanlagen ganz in ihrer Nähe betreiben und sofort hellhörig werden, wenn etwas nicht rund läuft – Verschleißerscheinungen gehen fast immer mit Geräuschänderungen einher und die Landwirte haben sozusagen ihr eigenes CMS im Ohr. Das sind aber Ausnahmen. Wenn jedoch – wie das heute meistens der Fall ist – Windkraftanlagen über riesige Monitoring Center betrieben werden, wo jemand nur einen Bildschirm vor sich hat und Prozessdaten sieht, wäre das schlichtweg unmöglich. Deshalb macht CMS auf jeden Fall Sinn, denn damit hat man – bildlich gesprochen – ständig das Ohr an der Maschine.

Wie schätzen Sie den Markt speziell für Condition Monitoring ein?

Aktuell haben wir hauptsächlich Standard-CMS im Einsatz, also unabhängig von der Steuerung arbeitende Systeme. Der Weg wird zu integrierten Systemen hingehen, weil die Automatisierungstechnik heute die passende Hardware liefern kann. Außerdem versprechen technische Vorteile bessere Ergebnisse, wie durch die Einbindung weiterer Prozessgrößen und Systembetrachtung. Steuerungsintegrierte Systeme werden wahrscheinlich auch kostengünstiger bei gleichbleibend hohem Qualitätsstandard. Wichtig ist auch dasThema Industrie 4.0, etwa mit Cloud Computing, Digitalisierung oder Big Data. Der Markt für Condition Monitoring wird immer besser, weil die Anforderungen, wie Verfügbarkeit oder Ertragssicherheit, steigen.Offshore-Anlagen in Deutschland müssen mit einem CMS-System ausgerüstet sein. Die Anlagen werden auch an Land immer größer und mögliche Ausfälle damit problematischer. Daher rüsten fast alle Hersteller ihre Anlagen ab 2,5 MW standardmäßig mit CMS aus. Auch der internationale Markt, zum Beispiel in China, ist im Wachsen begriffen. Das bedeutet, dass auch der Druck auf die Anlagenhersteller zunimmt, um Life-Cycle-Kosten und Ausfallrisiken zu minimieren. CMS und der entsprechende unabhängige Analyseservice kann hier wertvolle Unterstützung leisten.

Themen wie Cloud Computing werden von Unternehmen oft als unsicher wahrgenommen und mit einer gewissen Vorsicht behandelt. Wie denken Sie darüber?

Über dieses Thema denken wir natürlich nach. Unser Server steht hier am Standort in Hamburg, weil wir auf Performance großen Wert legen, aber unsere Kapazitäten sind nicht grenzenlos. Ich denke nicht, dass eine Cloud zu unsicher ist, sondern dass vielmehr das Gegenteil der Fall ist und diese wesentlich besser abgesichert ist. Das größere Risiko für Datenverlust stellt in den meisten Fällen eher der eigene Server dar. Die Datensicherheit ist meiner Meinung nach bei größeren Anbietern von Clouds auf jeden Fall gegeben und zudem immer up-to-date, was bei kleineren Unternehmen, die alles selbst in die Hand nehmen, eher unwahrscheinlich ist. Zudem wird die Performance der Clouds immer besser.

Wird Windenergie zum „Massenmarkt“ für Condition Monitoring? Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?

Der Windbereich ist bereits ein Massenmarkt für etablierte CMS-Hersteller. Jeder Anlagenhersteller hat seinen CMS-Lieferanten. Das Hauptgeschäft der meisten CMS-Lieferanten ist nach wie vor die Industrie, weil sie hier seit Jahrzehnten etabliert sind und zufriedene Kunden haben. Es kommt darauf an, inwieweit Steuerungshersteller wie B&R im Windbereich mit Automatisierung und den integrierbaren, modularen und skalierbaren CMS-Lösungen Fuß fassen können. Wenn das gelingt, wird CMS-Hardware günstiger und fester Bestandteil einer Automatisierung werden. Der große Vorteil der Automatisierungshersteller ist, dass sie alle Schnittstellen bedienen und so dem Drang der Kunden nach Informationsbereitstellung in anderen Softwarewelten nachkommen können. Es dauert aber bestimmt noch 5 bis 10 Jahre bis sich das durchsetzt. Bei allen technischen Vorteilen und Entwicklungen darf nicht vergessen werden, dass Condition Monitoring nach wie vor ein Bereich ist, wo der erfahrene Analyst eine große Rolle spielt.

Bernd Höring, CEO und Sachverständiger für Condition Monitoring, 8.2 Monitoring GmbH

"Es war uns von Anfang an sehr wichtig, dass zwischen Partnern die Chemie stimmt. Unsere Zusammenarbeit basiert auf Offenheit und Ehrlichkeit basiert. Unser eigenes Qualitätsniveau ist ebenso hoch wie unsere Anforderungen an andere. Unter dieser Prämisse eignet sich dafür nur ein großer Hersteller wie B&R, der dies weltweit anbieten kann." (Quelle: Alexandra Fabitsch)

Was ist Condition Monitoring?

Wenn alle Anlagenkomponenten perfekt zusammenspielen, ist die maximale Verfügbarkeit und Ertragsmöglichkeit von Windkraftanlagen gegeben. Dazu muss es allerdings permanente und vollständige Informationen über den Prozess und den Zustand der Anlage, etwa von Getriebe, Generator oder Hauptlager, mittels Schwingungsüberwachung geben. Da äußere Einflüsse stark auf die einzelnen Bauteile im Inneren der Windkraftanlage einwirken, können so ungeplante Schäden entstehen, die einen Stillstand zur Folge haben. Um dies zu vermeiden, wird Condition Monitoring, also eine kontinuierliche Überwachung der Anlage, eingesetzt.

Wie funktioniert Condition Monitoring bei B&R?

Die Condition Monitoring Module von B&R erkennen mögliche Wartungsfälle präzise und sind einfach zu konfigurieren. Alle Module sind Teil der X20-Steuerungsfamilie und damit uneingeschränkt in Steuerungstopologien verwendbar. Die Besonderheit dieser Module ist die lokal in den Modulen durchgeführte Schwingungsanalyse. Fertig aufbereitete Resultate reduzieren den Integrationsaufwand auf ein Minimum. Die Module ermöglichen in Verbindung mit einer Analysesoftware, wie VibraLyzePRO von 8.2, die Überwachung von komplexen Anlagen. Zusätzlich geben diese Resultate detaillierte Einblicke in die Mechanik und erlauben so eine effiziente Optimierung bestehender Prozesse.

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